Sonntag, 14. April 2013

Warum tragen Baptistinnen in Europa kein Kopftuch?


Warum tragen Baptistinnen in Europa kein Kopftuch?

Hermann Hartfeld führte in Kasachstan kontroverse theologische Gespräche

Almaty – Die Baptistengemeinden in Kasachstan sind auch nach dem Zusammenbruch der früheren Sowjetunion zum Teil von den damaligen Lebensverhältnissen geprägt. Diesen Eindruck gewann aus Russland stammende Baptistenpastor Hermann Hartfeld (Brühl bei Köln) während eines Aufenthaltes vor kurzem in Almaty, der größten Stadt Kasachstans. Dort führte Hartfeld theologische Gespräche mit leitenden Repräsentanten des kasachischen Baptistenbundes, der 2006 aus dem Baptistischen Weltbund und der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF) ausgetreten war. So könnten die Leiter nicht nachvollziehen, dass die baptistischen Ortsgemeinden in Europa in strittigen Fragen wie etwa der Frauenordination oder vorehelichem Geschlechtsverkehr andere Entscheidungen fällen könnten als der nationale Baptistenbund, sagte Hartfeld der Zeitschrift "Die Gemeinde". Denn zu Zeiten der Sowjetunion hätten die sowjetische Bundesleitung der Baptisten die Souveränität der Ortsgemeinde abgesprochen. Diese Regelung gelte weiter. 

Hartfeld versuchte in seinen Gesprächen mit den Baptisten Kasachstans, darunter auch Präsident Franz Tissen (Saran), Verständnis für die Spiritualität der Baptisten in Westeuropa zu wecken, die von den Kasachen zumeist als liberal angesehen werden. So stößt es etwa auf Kritik, dass die Baptistinnen in Europa kein Kopftuch tragen. Hartfeld wies demgegenüber darauf hin, dass in einigen Brüdergemeinden in Deutschland durchaus die Tradition des Kopftuches gepflegt werde, aber nur beim Gebet. Doch hätten die Frauen zu biblischen Zeiten in der Gemeinde in Korinth kein Kopftuch sondern einen Schleier getragen. Dies sei ein Zeichen gewesen, dass sie unter dem Schutz ihrer Männer gestanden hätten und niemand sie anpöbeln durfte. Die Kopfbedeckung, so wie sie in vielen russlanddeutschen Gemeinden praktiziert wird, entspreche nicht dem Willen des Paulus. Die Juden hätten keine Verhüllung von Frauen gekannt.

Zur von den Kasachischen Baptisten abgelehnten Frauenordination teilte Hartfeld seinen Zuhörer nicht, dass schon der unter den Baptisten in Russland sehr geschätzte Autor des Buches „Glück des verlorenen Lebens“, Nikolai Chrapow, sich für die Segnung von Frauen ausgesprochen habe, die den Predigtdienst dann übernommen hätten, wenn die Ältesten im Gefängnis gewesen seien. Kritik übten die Baptisten Kasachstan an der ethischen Grundhaltung vieler Gemeinden im Westen, dass etwa Rauchen und der Konsum von Alkohol erlaubt sei, dass vorehelicher Geschlechtsverkehr toleriert und sogar homosexuelle Paare gesegnet würden. Er habe erklärt, dass bekannte Baptisten wie Johann Gerhard Oncken und Charles Spurgeon im Rauchen ein Ersatz für den Kaffeegenuss gesehen hätten. Damals seien die lebensbedrohlichen Folgen des Rauchens noch nicht bekannt gewesen. Baptisten in den USA sähen Tabakplantagen und Baptisten in Italien und Spanien ihre Weinberge als von Gott gegeben an. Vorehelicher Geschlechtsverkehr und die Segnung der homosexuellen Paare werde nur in wenigen Gemeinden toleriert, worauf die baptistischen Leitungen jedoch keinerlei Einfluss hätten. In Kasachstan gibt es etwa 290 Baptistengemeinden mit 11.000 Mitgliedern.

Klaus Rösler