Freitag, 24. Mai 2013

Die Baptisten von Serbien und Russland gründen eine Partnerschaft von William Yoder


M o s k a u – Die Baptisten von Serbien und Rußland arbeiten an einer Partnerschaft mit einem kleinen Unterschied zu den sonst üblichen: es handelt sich um eine Partnerschaft zwischen zwei slawischen Ländern. Dieses Vorhaben wurde öffentlich durch die Anwesenheit von Witali Wlasenko (Moskau), Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei der „Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten“, in der südserbischen Stadt Niš am 30. April und am 1. Mai. An diesen Tagen feierte die “Union der Evangeliumschristen-Baptisten von Serbien (Serbien Süd) den 1.700 Jahrestag des Edikts von Mailand. Zu den weiteren Ehrengästen zählten John Upton (Richmond/Virginia), Präsident des Baptistischen Weltbundes, und Akos Bukovsky (Budapest) von der Baptistischen Union Ungarns. Präsident der südserbischen Union ist Cedo Ralev. Sechzig Besucher waren bei den Feierlichkeiten zugegen.

Seit Jahrhunderten verstehen sich Russen und Serben als “Waffenbrüder”. Rußland hat immer wieder in Auseinandersetzungen mit den osmanischen und österreich-ungarischen Nachbarn für die Sache Serbiens Partei ergriffen. Aus den gleichen Gründen besteht ein besonderes Verhältnis ebenfalls zwischen Russen und Bulgaren – einer weiteren slawischen und orthodoxen Nation.

Der römische Kaiser Konstantin der Große  kam um das Jahr 272 in Naissus – heute ein Teil der Stadt Niš – zur Welt. Nach Jahrhunderten brutaler Verfolgung von Christen sorgten er und sein kaiserlicher Konkurrent Licinius mit dem Toleranzedikt von 313 für eine politische Kehrtwendung historischen Ranges. Diese radikale Übereinkunft legalisierte den christlichen Glauben sowie alle anderen im Reich vorhandenen Religionen. Konstantins Taufe kurz vor seinem Tode im Jahre 337 machte ihn zum ersten, offiziell christlichen Kaiser. Doch verständlicherweise entsprach diese Gesetzgebung nur teilweise den Vorstellungen der späteren Täufer und der heutigen evangelischen Freikirchlern. Konstantin ließ sich später auf die staatliche Bevorzugung und Patronage einer bestimmten Religion ein. Ein derartiger „Konstantinismus“ bleibt bis heute ein ernsthaftes Problem in Serbien sowie anderen osteuropäischen Staaten.

Diese Jubiläumsfeier läßt sich als Hilferuf der kleinen, 700-Mitglieder-und-14-Gemeinden-starken baptistischen Union von Südserbien begreifen. Im Jahre 2006 wurden „nichttraditionellen“ Glaubensgemeinschaften wie Baptisten und Adventisten die Steuerfreiheit und ihr Status als religiöse Organisationen aberkannt. Beide waren seit mehr als einem Jahrhundert in Serbien aktiv. Diese „nichttraditionellen“ Konfessionen sind wiederholt der Gewaltanwendung durch kriminelle Gruppierungen ausgesetzt gewesen. Im Mai 2012 verschlechterten sich die Beziehungen weiter als Tomislav Nikolić, ein ehemaliger, leitender Politiker in der radikalen, nationalistischen Partei des angeklagten KriegsverbrechersVojislav Šešelj, das Präsidentenamt übernahm. Doch Serbien, ein offizieller Kandidat für die Aufnahme in die Europäische Union, wird seine religiöse Gesetzgebung modifizieren müssen falls das Land jemals Mitglied werden soll.

Serben stufen Katholiken als Kroaten oder Slowenen ein. Gemäß ihres Rufes hielten kroatische Katholiken Gebetswachen ab und stritten vehement für die Entlassung von Ante Gotovina und Mladen Markač - zwei Generälen, die vom Haagener Kriegstribunal zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Nach ihrer Freisprechung und Entlassung am 16. November 2012 wurden sie in Zagreb als heimkehrende Helden gefeiert. Die Serben reagierten mit Abscheu und Verzweiflung.

Freikirchliche Protestanten sind bekanntlich um viele Nummern kleiner – sie werden in der Regel als schmalspurige Agenten der NATO-Staaten abqualifiziert. Die Baptisten Serbiens fordern deshalb von ihren Landsleuten, daß sie endlich als eine legitime und genuine christliche Gemeinschaft anerkannt werden. In einer Stellungnahme unmittelbar nach den Feierlichkeiten in Niš schrieb die südserbische Unionsleitung: „Generell harrt das Edikt von Mailand weiterhin seiner Erfüllung. . . . Wir Baptisten . . ., eine Minderheit innerhalb der Minderheit, hoffen verstanden und akzeptiert zu werden als eine Kirche, die den Herrn Jesus Christus als den einzigen wahren Gott und Heiland verkündigt.“

In Moskau gab Wlasenko zu Protokoll, eine russisch-serbische Partnerschaft müsse Bemühungen um Vermittlung und Versöhnung in einem von Krieg und ethnischen Konflikten heimgesuchten Gebiet umfassen. Zu ihnen zählten Druck auf westliche Staaten und das Kosovo, eine Dokumentation zu liefern, die den Tausenden von serbischen Flüchtlingen eine Kompensation gewährt für die Häuser, die sie während der ethnischen Säuberungen im Kosovo nach 1999 verloren haben. Der Abteilungsleiter fügte hinzu, daß Beziehungen zwischen den Baptisten von Albanien und Serbien ebenfalls verbesserungswürdig seien. Die russischen Baptisten haben Erfahrungen im Umgang mit der Orthodoxie auf höchster Ebene und könnten helfen, Beziehungen mit der serbischen Orthodoxie aufzubauen. Eine der wenigen Begegnungen mit Orthodoxen zum Zeitpunkt dieser Feierlichkeiten ereignete sich in Belgrad als ausländische Besucher mit dem langjährigen, europäisch-gesinnten orthodoxen Journalisten und Vertrauten von Patriarchen, Živica Tucić, zusammentrafen.

Sogar Beziehungen zwischen Baptisten innerhalb Serbiens lassen zu wünschen übrig. Die größere „Union der baptistischen Kirchen in Serbien (Nordserbien)“ besteht aus 69 Ortsgemeinden mit etwa 1.983 Mitgliedern. Ihre Gemeinden befinden sich vor allem in Belgrad und im nordserbischen Gebiet von Wojwodina. Zwischen 1699 und 1918 gehörte dieses multiethnische Gebiet dem Reich der Habsburger an. Witali Wlasenko insistierte: „Wir werden Beziehungen mit beiden Unionen pflegen – wir sehen sie nicht als getrennte Größen an. Zwischen Serben und den Staatsbürgern von Serbien wollen wir nicht unterscheiden.“ Beispielsweise ist der Präsident der nördlichen Baptisten, Ondrej Franka (Bački Petrovac), slowakischer Ethnizität. Serbische und russische Baptisten sind auch keineswegs gewillt, eine Partnerschaft gegen den Westen zu bilden. Ein mögliches, von John Upton vorgeschlagenes Projekt betraf die Durchführung von englischsprachigen Sommerlagern für Russen und die Bewohner Serbiens. Die Lehrer dafür würden aller Wahrscheinlichkeit nach aus Nordamerika kommen.

Eine Volkszählung von 2002 ergab 80.837 Protestanten innerhalb der Grenzen Serbiens – ohne das Kosovo. Das ergibt einen Bevölkerungsanteil von 1,08%, was auch ungefähr den Proportionen in Rußland entspricht. Die Mehrheit dieser Protestanten sind Lutheraner slowakischer Herkunft im Gebiet Wojwodina; die Reformierten in diesem Gebiet sind meistens ungarischer Ethnizität.

Dr.phil. William Yoder
Smolensk, den 24. Mai 2013
rea.org@mail.ru” oder “kant50@gmx.de
Handynummer von Yoder wenn in Moskau: +7-916 874 5868

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William Yoder, Ph.D.
Smolensk, 24 May 2013
Webpage: „rea-moskva.org“ or “www.baptistrelations.org
Mobile for Yoder when in Moscow+7-916 874 5868

Sonntag, 14. April 2013

Warum tragen Baptistinnen in Europa kein Kopftuch?


Warum tragen Baptistinnen in Europa kein Kopftuch?

Hermann Hartfeld führte in Kasachstan kontroverse theologische Gespräche

Almaty – Die Baptistengemeinden in Kasachstan sind auch nach dem Zusammenbruch der früheren Sowjetunion zum Teil von den damaligen Lebensverhältnissen geprägt. Diesen Eindruck gewann aus Russland stammende Baptistenpastor Hermann Hartfeld (Brühl bei Köln) während eines Aufenthaltes vor kurzem in Almaty, der größten Stadt Kasachstans. Dort führte Hartfeld theologische Gespräche mit leitenden Repräsentanten des kasachischen Baptistenbundes, der 2006 aus dem Baptistischen Weltbund und der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF) ausgetreten war. So könnten die Leiter nicht nachvollziehen, dass die baptistischen Ortsgemeinden in Europa in strittigen Fragen wie etwa der Frauenordination oder vorehelichem Geschlechtsverkehr andere Entscheidungen fällen könnten als der nationale Baptistenbund, sagte Hartfeld der Zeitschrift "Die Gemeinde". Denn zu Zeiten der Sowjetunion hätten die sowjetische Bundesleitung der Baptisten die Souveränität der Ortsgemeinde abgesprochen. Diese Regelung gelte weiter. 

Hartfeld versuchte in seinen Gesprächen mit den Baptisten Kasachstans, darunter auch Präsident Franz Tissen (Saran), Verständnis für die Spiritualität der Baptisten in Westeuropa zu wecken, die von den Kasachen zumeist als liberal angesehen werden. So stößt es etwa auf Kritik, dass die Baptistinnen in Europa kein Kopftuch tragen. Hartfeld wies demgegenüber darauf hin, dass in einigen Brüdergemeinden in Deutschland durchaus die Tradition des Kopftuches gepflegt werde, aber nur beim Gebet. Doch hätten die Frauen zu biblischen Zeiten in der Gemeinde in Korinth kein Kopftuch sondern einen Schleier getragen. Dies sei ein Zeichen gewesen, dass sie unter dem Schutz ihrer Männer gestanden hätten und niemand sie anpöbeln durfte. Die Kopfbedeckung, so wie sie in vielen russlanddeutschen Gemeinden praktiziert wird, entspreche nicht dem Willen des Paulus. Die Juden hätten keine Verhüllung von Frauen gekannt.

Zur von den Kasachischen Baptisten abgelehnten Frauenordination teilte Hartfeld seinen Zuhörer nicht, dass schon der unter den Baptisten in Russland sehr geschätzte Autor des Buches „Glück des verlorenen Lebens“, Nikolai Chrapow, sich für die Segnung von Frauen ausgesprochen habe, die den Predigtdienst dann übernommen hätten, wenn die Ältesten im Gefängnis gewesen seien. Kritik übten die Baptisten Kasachstan an der ethischen Grundhaltung vieler Gemeinden im Westen, dass etwa Rauchen und der Konsum von Alkohol erlaubt sei, dass vorehelicher Geschlechtsverkehr toleriert und sogar homosexuelle Paare gesegnet würden. Er habe erklärt, dass bekannte Baptisten wie Johann Gerhard Oncken und Charles Spurgeon im Rauchen ein Ersatz für den Kaffeegenuss gesehen hätten. Damals seien die lebensbedrohlichen Folgen des Rauchens noch nicht bekannt gewesen. Baptisten in den USA sähen Tabakplantagen und Baptisten in Italien und Spanien ihre Weinberge als von Gott gegeben an. Vorehelicher Geschlechtsverkehr und die Segnung der homosexuellen Paare werde nur in wenigen Gemeinden toleriert, worauf die baptistischen Leitungen jedoch keinerlei Einfluss hätten. In Kasachstan gibt es etwa 290 Baptistengemeinden mit 11.000 Mitgliedern.

Klaus Rösler

Mittwoch, 6. März 2013

Semipalatinsk-21


Semipalatinsk-21

Der schwarze Gefängniswagen mit zwanzig Insassen war etwa drei Stunden unterwegs. Ich hatte den Eindruck, dass niemand von uns das Ziel der Fahrt wusste. Es saßen überwiegend junge Häftlinge auf den Bänken und unterhielten sich. Ich hörte niemand fragen, wohin es eigentlich geht. Ich sah alle prüfend an und fragte meinen Nachbarn über den Grund seiner Verurteilung. Er lächelte mich freundlich an: „Ich habe mit der Frau des ersten Sekretars unserer Stadt geschlafen“. „Quatsch“, reagierte ich: „Wie alt sind Sie denn?“ „Einunddreißig. Doch es ist wahr. Ich war der Liebhaber dieser Frau. Ihr Mann erwischte uns in flagranti und man verhaftete mich. In der Anklageschrift stand Eigentumsraub. In der Urteilsbegründung steht nicht einmal, welche Gegenstände ich entwendet haben soll“. Ich glaubte ihn nicht, aber erinnerte mich an einen Professor unter uns, der zu drei Jahren verurteilt wurde, weil er im betrunkenen Zustand vom Balkon seiner Wohnung uriniert hatte. Unglücklicherweise stand unter dem Balkon die Frau eines kommunistischen Beamten und ihre Frisur bekam einiges von der Flüssigkeit ab. Den Professortitel musste er sich abschminken.

Die Fahrt war ziemlich holprig, rutschig und staubig. Das kleine vergitterte Fenster gab uns einen winzigen Blick nach außen. Es schüttelte uns ziemlich durch. Es machte mir nichts aus. Die Ungewissheit machte mir mehr Angst und Sorgen. Ich war nie ein Held. Ich war immer ein Angsthase gewesen. Ich kämpfte mit der Angst und versuchte, positiv zu denken. Es gelang mir wohl selten. Was erwartet uns am Ende dieser Fahrt? Angst verkoppel mit Neugier nagte an mich entsetzlich. Einer der älteren Gefangenen legte seine Hand auf meine Knie und sagte: „Es wird alles gut, junger Mann. Wir haben solche Fahrten schon öfters erlebt. Erzähle doch, bitte, warum bist du in dieses überaus strenge Straflager gelandet.“

Ich dachte nach und sagte: „Ich weiß es wirklich nicht. Ich wurde verhaftet, man fragte mich über meine Vergangenheit in der Stadt Omsk. Es waren keine konkrete Fragen. Nie befragte man mich über über religiösen Aktivitäten. Der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter taten so, als wenn es für sie total unwichtig war. Was konnte ich auch über meine Vergangenheit erzählen? Es waren jugendliche Träumereien und Fantastereien von einer heilen göttlichen Welt. Meine Freunde und ich waren in den Augen unserer Mitmenschen hoffnungslosen Utopisten. Die Kommilitonen nahmen uns nicht ernst . Wir glaubten an das Gute im Menschen. Wir meinten, der Mensch sei nach dem göttlichen Ebenbild erschaffen worden, also lebt in ihm der göttliche Funke. Wir glaubten nicht im Marxismus, sondern in Jesus Christus die Lösung aller Probleme gefunden zu haben-das Heil der Welt, das Reich Gottes auf unserem Planeten. Wir glaubten und glauben, dass die Entfremdung von Gott eine Entfremdung des Menschen von seinem Selbst, seiner Mitmenschen und seiner Umwelt ist. Unsere Welt ist doch so wunderschön und gleichzeitig herrscht in ihr so viel Bosheit, Ungerechtigkeit, Gewalt, Perversion, Neid und Herrschsucht. Was ich in der Gefängniszelle erlebt, war so bestialisch, das es mir den Atem verschlug.“

„Was hast du denn erlebt?“ Der Gesprächspartner siezte und duzte mich. Ich war jünger als sie alle. Die Gefangenen wussten nicht so Recht, wie sie mich ansprechen sollte.

„Ein Zellengenosse hatte Analverkehr mit einem Mann. Ich fand die exhibitionistische Handlung derart bestialisch, dass sie mir den Atem verschlug. Unsere Haustiere haben so etwas nie getan. Der Mensch entwürdigt die Sexualität.“

Alle hörten plötzlich aufmerksam zu. Einer der Gefangenen fragte: „Haben Sie die Werke von  Peter Tschaikowski gesehen? Und welche?“
„Schwanensee, das Ballett in 4 Akten. Die Oper „Wakula der Schmied“ in drei Akten“ und einige Symphonien,“ antwortete ich.

„Wussten Sie, dass er homosexuell war und bevorzugte es, mit Knaben zu treiben?“
Diese Nachricht erschlug mich endgültig. Ich kam aus einer fantasiereichen heilen Welt, die wir uns geschaffen hatten. Nun war ich in die reale Welt angekommen. Olgas Vater sagte einmal: „Die Sexualtriebe sprießen aus allen Poren des menschlichen Seins und beherrschen sein Leben. Sie unter Kontrolle zu bekommen, haben selbst biblische Männer wie Mose, die jüdische Könige David und Salomo nicht vermocht.“ Damals ignorierte ich sein Statement. „Ich vermag alles, durch den, der mich stark macht“ schnappten wir bei der Bibellese auf. Später stellten wir fest, dass diese Aussage zu einer Floskel entarten kann.

Ein Mitgefangener fragte mich plötzlich:: „Was meinen Christen mit dem stellvertretenden Tod Christi? Es macht doch wenig Sinn, dass Gott seinen Sohn opfert quasi zugunsten der Menschheit?“

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und schwer erwischt und sagte: „Die Frage beschäftigte uns auch. Die Menschwerdung Gottes in der Gestalt Christi war seine Identifikation mit seinem Geschöpf, mit jedem von uns. Sein in der Bibel beschriebene Kreuzestod war ein Akt seiner sich aufopfernden Liebe zu uns. Wissen Sie, als ich den Bericht über Alexander Matrossow las, dachte ich an Christus. Ich weiß der Vergleich hinkt, aber immerhin. Am 27. Februar 1943 an der Kalininer Front kroch Matrossow an den Hauptbunker der deutschen Armee-Einheit heran und warf sich mit seinem Körper vor eine Schießscharte und fand den Tod. Danach konnte der Bunker erobert werden. So ähnlich lässt sich der Tod Christi erklären: Er starb, damit wir durch ihn zu Gott, zu uns selbst, zu unserer Mitmenschen finden. Wir sind von der Schuld der Gottentfremdung befreit. Wir dürfen es in Anspruch nehmen und Gott kann eine heile Welt mit Hilfe der glaubenden Menschheit schaffen. Christi Auferstehung zeigt uns, dass unser Leben mit dem Tod nicht endet. Übrigens ist der Kreuzestod Christi nur im Zusammenhang mi der Opferdarbringung von Tiere der jüdischen Bibel, das Alte Testament verständlich. Der Hebräer opferte ein Tier im Tempel in Stellvertretung für sein Vergehen. Ich mochte ja so meine Haustiere und fände es schrecklich, wenn eines von ihnen meinetwegen auf einem Opfertisch sterben müsste. Denken Sie aber an Matrossow. Er warf sich mit seinem Körper vor eine deutsche Schießscharte. Sein Tod machte doch Sinn. Er starb stellvertretend für viele seine Genossen, die sonst durch den Kugelhagel der deutschen Soldaten gestorben wären. Jesus Christus tat doch vielmehr.“

Die Zuhörer konnte wohl nachvollziehen, was Matrossow tat, aber das mit Jesus? Einer zuckte die Schulter, ein anderer dachte darüber nach und sagte: „Es ist und bleibt ein Mysterium, sagte meine Großmutter.“
Ich schwieg eine Weile. Dann sagte ich: „Wissen Sie, ich habe schlimme Fehler in meinem Leben als Jugendlicher begangen. Ich betreibe keinen seelischen Striptease, wenn ich das sage. Der KGB in Omsk verlangte, dass wir Verrat an diesen Christus, seinem Auftrag begehen und atheistische Kommunisten werden. Gerade das konnten wir nicht. Es war uns wirklich egal, welcher der christlichen Kirche wir angehörten, aber sie sollte eine Kirche sein, die der Freudenbotschaft Christi Treue hält. Die Menschheit darf und kann den Weg zu Gott finden. Wir brauchen das Reich Gottes auf dieser Erde, anderenfalls macht das christliche Leben für mich persönlich keinen Sinn.“

Die jungen intelligenten Männer wollten vieles auch über mein persönliches Leben wissen. Es war für sie unverständlich, wieso ein zwanzigjähriger junger Mann ohne Vorstrafen in ein Straflager mit strengem Regime gesteckt wurde. Ich hatte keine Erklärungen für sie parat, aber ich versuchte, ihnen meine Weltsicht so plausible wie nur möglich zu erklären.

Sie dachten nach und schwiegen. Einer von ihnen resümierte schließlich: „Ich verstehe nun, warum man euch ins Gefängnis gesteckt hat. Ihr stellt eine Gefahr für den atheistischen Kommunismus dar. Meines Erachtens seid ihr für die Kommunisten gefährlicher als alle politischen Dissidenten.“
Ich verstand das nicht und zuckte die Schulter.

Die jungen Männer sprachen dann unter sich über die Wasserstoffbombe, Kernspaltung unter anderen mehr, wovon ich kaum eine Ahnung hatte. Die lange Fahrt, das Reden, Zuhören und eine mich beängstigte Vorahnung machten mich schläfrig, ermüdeten mich derart, dass ich eindöste.
Ich wachte auf, als der Wagen irgendwann stehen blieb. Ich rieb mir die Augen und gähnte. Die Tür unseres Wagens öffnete sich. Wir sahen Soldaten Spalier stehen. „Was nun“, kam blitzartig der Gedanke. Es folgte der Befehl, den Wagen zu verlassen. Ein Offizier führte uns durch die Soldatenreihen zu einem Stollenmundloch des Eingangsportals in die Unter-Tage-Welt.

„Was erwartet uns im Atomgelände von Semipalatinsk“, flüsterte einer der jungen Männer vor sich hin. Er wusste Bescheid, wo wir waren, ich nicht. Seine leise Stimme wurde von allen wahrgenommen. Wir schwiegen und folgten dem Offizier. Wo waren wir genau auf der geographischen Karte? Ich hatte den Atlas in meiner Schublade des Nachtschränkchen für vier Insassen. Dieser Ort war im Atlas nicht auffindbar.
Viel später werde ich erfahren, dass der jeweilige Stollen im Balaplangebiet der Degelenberge lag und für Atombombentests vorgesehen war. Wir erreichten eine Tür zu einem Bunker. Einer von uns sagte verwundert: „Atombunker im Stollen? Das kann ja nur immer lustiger werden!“ Der Offizier drehte sich zu uns, guckte uns an, verzog keine Miene und drückte den weißen Knopf neben der Bunkertür. In Kürze zeigte sich ein Mann im zivil. „Oh, nun sind sie alle da. Gut. Kommen Sie doch alle herein“, lud er uns, wie ich meine, freundlich und sachlich ein.

Wir sahen uns im riesigen Bunker um. Die Wände waren aus massivem Stahlbeton. Den Wänden entlang standen Bänke, mitten Stühle, vorn ein Tisch aus Metall, wie übrigens auch die Bänke und Stühle. Wir sollten auf den Bänken Platz nehmen. An der Wand hinter dem Tisch war ein riesiger Bildschirm. Alle Arbeiten und Bewegungen in diesem Stollen, eigentlich ein riesiger Tunnel, wurden angezeigt. Der Mann im zivil drückte einen Knopf und der Bildschirm wurde schwarz.

Der Offizier setzte sich an den Tisch und übergab dem Mann im zivill eine Mappe. Sie sprachen leise miteinander. Wir hörten nur einige Fetzen und konzentrierten uns auf andere Dinge, die wir interessanter empfunden haben. „Ein Bunker im Stollen? Wozu?“ kamen immer wieder die Gedanken bei uns auf.
Wir rätselten über den hermetisch abgedichteten Bunker, der mit speziellem Luftfilter - und wie es aussah – mit eigener Strom- und Wasserversorgung versehenen war. Denn die Luft im Bunker war viel frischer und sauberer als im Stollen. Dies bemerkten wir sofort. Es standen riesige Stahlschränke, auf deren Türen Beschriftungen standen „Ordner“, „Lebensmittel“, „Geräte“ und vieles mehr.

Unsere Gedanken unterbrach der Mann in zivil: „Mein Name ist Mironow. Sie bekommen gleich im Nebenraum Mittagessen und werden in Arbeitsgruppen eingeteilt“. Die Nebenräume haben wir absolut nicht bemerkt. Stahltüre öffnete sich auf Knopfdruck und wir betraten einen Essraum. Tische und Bänke wiederum aus Metall. Auf den Tischen standen Schüssel und daneben lagen Löffel. Große Behälter mit Suppe und Grießbrei waren auf dem Tisch. Dieser stand an der Wand gegenüber dem Eingang. Schweigend bedienten wir uns. Währenddessen brachte ein Mann in Militäruniform bereits geschnittene Leibe Brot und legte sie in die Mitte der einzelne Tische. Das Essen schmeckte ganz anders als in der Strafkolonie. Wir durften uns bedienen so oft, wir wollten. Ich glaube, ich hatte noch nie zuvor so viel gegessen.

Nach dem Mittagessen wurde ich einem Markscheider zugeteilt. Die übrigen Gefangenen hatten viel bessere Bildung als ich, wie es sich herausstellte. Sie wurden den diversen wissenschaftlichen Abteilungen zugewiesen. Sie waren alle Atomphysiker, die in Tscheljabinsk-40, dann -65 gearbeitet hatten und sich irgendwelcher Delikte schuldig machten und nach Semipalatinsk gebracht wurden. Ich fand es nie heraus, was diese Atomphysiker falsch gemacht haben sollten.

Wir durften nicht miteinander über unsere Aufgaben reden. Später haben wir erfahren, dass zehn zivile Wissenschaftler im Krankenhaus lagen. Sie sollen an Petechien gelitten haben. Ich hörte von dieser Krankheit von Olgas Cousine. Sie hatte punktförmige Haut- bzw. Schleimhautblutungen aus den Kapillaren in der Haut. Ihr fielen auch bereits die Haare aus, als ich sie das letzte Mal sah. Sie starb im Delirium in irgendeinem Krankenhaus weit weg von unserem Ort. Sie war auf diesem Atomwaffentestgelände tätig. Ich erfuhr es nie, welche Aufgabe sie innehatte.

Interessanterweise sah die Bevölkerung der Stadt Semipalatinsk den hell leuchtenden Feuerball, wenn ein Atombombentest durchgeführt wurde, aber kaum einer von uns dachte damals an irgendwelche gesundheitliche Schäden, die durch diese Tests an uns hätten entstehen können. Proteste, wie wir sie im Westen kennengelernt haben, gab es nicht. Dafür sorgte der Inlandgeheimdienst, der die Bürger auf ihre Gesinnung hin streng überwachte und „rechtzeitig“ agierte, falls jemand auch nur einen kritischen Kommentar darüber machte.
Ich hörte von unseren Glaubensgenossen aus der Stadt Omsk, dass ihre Verwandten mit deren Familien in Tscheljabinsk-65 lebten, später Osjorsk genannt, achtzig Kilometer von der Stadt Tscheljabinsk entfernt. Einige arbeiteten in dem Uran-Grafit-Reaktor, andere in der radiochemischen Anlage zur Aufbereitung des im Reaktor produzierten waffenfähiges Plutonium für die Kernwaffenproduktion. Dass einige Zehntausende Zwangsarbeiter an den Konstruktionsarbeiten teilgenommen hatten, war für niemand von uns ein Geheimnis. Das gesamte Gebäude des sowjetischen Systems stand meines Erachtens auf dem Fundament aus Knochen der Zwangsarbeiter und musste früher oder später kollabieren. So dachte manche von uns „heimlich“, aber kaum jemand sprach diesen Gedanke aus.

Mein Arbeitstag begann. Der Markscheider, namens Boris, war ein sehr gut ausgebildeter Vermessungsingenieur. Er gab mir ein Nivelliergerät in die Hand, hielt selbst das Stahlmessband in der Hand und ging voraus. Ich verstand wenig von dem Vermessungswesen untertage, aber nach und nach erlernte ich das Risswerk. Technische Zeichnungen waren nie meine Stärke gewesen. Aber dieser Mann brachte es mir mit sehr großer Geduld bei. Immer wieder sagte ich ihm frustriert: „Ich schaffe das alles nicht. Ich bin zu doof dafür“ Er antwortete: „Du bist Deutscher. Denke an die Worte des berühmten Philosophen Immanuel Kant: Ich kann, weil ich will, was ich muss.

Er gab mir Mut und Zuversicht. Wir fertigten ohne elektrooptische Streckenmessungen Pläne, Karten und sonstige Unterlagen von Stollen bzw. Tunnels, Hohlräumen und Bohrungen an und leiteten sie weiter. Ich fragte Boris einmal: „Warum das Ganze? Es wird ja sowieso durch die Atombombentests alles zerstört“. Er guckte mich ernst an und antwortete: „Es ist hier nicht der Ort, Fragen zu stellen.“ Boris war sehr zurückhaltend, wirkte auf mich introvertiert (in sich gekehrt), wortkarg, aber sehr pflichtbewusst.
Es war für mich ein Übungsfeld, Messungen diverser Tunnele und Bohrlöcher mit Boris durchzuführen und mit niemand darüber zu sprechen. Unterwegs zurück in die Zone forschte ich meine Kumpel in Bezug auf ihre Ausbildung aus. Sie bestätigten mir, Atomphysiker zu sein. Wir wurden gute Freunde. Die prekäre Situation hat uns zusammengeschweißt. Die Männer erzählten mir aus ihrem Leben nichts. Sie wahrten Diskretion und forschten mich nie aus über die Gemeindetätigkeiten am Ort. Sie wussten, dass wir abgehört wurden.
Eines Tages kamen wir von der Arbeit  in die Strafkolonie und auf die Atomphysiker warteten einige Offiziere des Innenministeriums. Sie mussten ihre Sachen packen, umarmten mich und gingen mit den Offizieren zum Tor. Es war bereits spät abends. Einer von ihnen sagte mir: „Schön, dass du an die Heile Welt glaubst. Ich kann als Physiker das nicht. Möge dein Gott dich schützen.“ Mir standen die Tränen in den Augen. Ich mochte Trennungen von Freunden nie. Ich winkte ihnen zu und seitdem sah ich sie nie wieder.
An diesem späten Abend wurden Nikolai und ich aufgerufen, uns zur Abreise noch in dieser Nacht bereitzuhalten. Wir mussten von unseren Glaubensgenossen Abschied nehmen.

Man lebte als Häftling immer in der Ungewissheit. Wohin wird man gebracht? Wie werden die Umstände dort sein? Was erwartet uns dort? Die Verabschiedung auch von den „Mitinsassen“ war erstaunlicherweise herzlich. Einer der Häftlinge namens Michael, der nichts mit dem Glauben am Hut hatte, hielt mich lange in den Armen fest und weinte bitterlich. Ich war total perplex.

„Ich werde hier verrotten, aber ihr habt mir Mut gemacht, weiterzuleben und Gott zu vertrauen!“ Ich guckte ihn irgendwie verloren an und sagte zögerlich: „Wir haben nie mit Ihnen über Gott geredet!“
Er antwortete: „Euer Leben schrieb Bände und ich danke euch dafür!“

 Ich bat Iwan, Sergej, Athanasius und Viktor, mit ihm Gemeinschaft zu pflegen. Jedoch auch Viktor und Sergej mussten bald Abschied nehmen. Sie kamen in andere Straflager. Der alte Reformadventist Iwan Lalujew, Athanasius und einige gläubig gewordene Häftlinge blieben zurück. Iwan kam nie frei. Er bekam einen Schlaganfall. Athanasius und Michael standen am Sterbebett von Iwan, hielten seine Hände und beteten. Iwan erholte sich nie. Er starb um Mitternacht.

 Michael hatte keine Verwandte und schrieb mir zwei Briefe. Er beschrieb alle Umstände, unter welchen Iwan gelitten und gestorben war. Michael  erkrankte an Lungenkrebs und verstarb im Straflager von Semipalatinsk. Nach meiner Entlassung suchte ich die Gräber von Iwan und Michael. Ich fand sie nicht. Auf meine Anfrage hin bekam ich vom Innenministerium die Nachricht, die Häftlinge wären beerdigt worden an einem unbekannten Ort. 

Freitag, 8. Februar 2013

Der erste Schock in der Gefängniszelle


Der erste Schock in der Gefängniszelle

Hermann 1962
Der Name Semipalatinsk (sieben Gemächer) stammt von den sieben buddhistischen Tempeln der Kalmyken, die wohl vor 1616 errichtet wurden. Gerhard Friedrich Müller (1705-1783) entdeckte 1734 auf dem Ostufer des Irtysch halbzerstörte sieben Gemächer dieser Tempel. Daran dachte ich unterwegs ins Gefängnis, um mich abzulenken. Mir kam schnell auch die Geschichte des Gefängnisses in Erinnerung. In den vielen Stunden meines Aufenthaltes in der Stadtbibliothek suchte ich Spuren von Mennoniten, die anfangs des 20. Jahrhunderts entweder hier wohnten oder verbannt wurden. Denn im Ausweis meiner Mutter wurde der Geburtsort Semipalatinsk verzeichnet, obwohl sie behauptete, in der Halbstadt bei Pawlodar geboren worden zu sein. Unsere Mütter brachten vieles Durcheinander, was Ortschaften angeht. Die Namen aller ihrer Lebensstationen verwechselten sie oft. In meinen Recherchen stieß ich auf die Geschichte des Gefängnisses von Semipalatinsk.





Wappen von Semipalatinsk während Sowjetzeiten
http://de.wikipedia.org/wiki/Semei

Das Gefängnis wurde erbaut im Jahre 1773 zur Zeit der Herrschaft der Katharina der II. Zu meiner Zeit wurde es als ein architektonisches Denkmal bezeichnet. Meines Wissens befand es sich etwa drei Kilometer vom Zentrum entfernt. Hinter den Mauern dieses Gefängnisses saßen auch die berühmten kasachischen Schriftsteller und Politiker Mir Yakup Dulatov (geb. 1885, verstarb im Lager Solowki 1935) und Achmet Baitursynov (geb. 1872, erschossen am 8. Dezember 1937). Der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski  trat im Jahre 1854 seine Militärpflicht im Rahmen seiner Verbannung 1854–1859 in Semipalatinsk an. Nach seiner Ankunft wurde er vorübergehend auch in dieses Gefängnis gesteckt. „Ich befinde mich in guter Gesellschaft“, schmunzelte ich. Ich muss wohl es halblaut gesagt haben, weil der mich begleitende Offizier laut sagte: „Das Schmunzeln wird dir dort vergehen.“ Ich zuckte wie immer die Schulter und schwieg.

Als ich die Zelle betrat, wurde ich begrüßt: „Willkommen baptistischer Prediger!“ Ich war total überrascht: „Woher wisst ihr, dass ich Christ bin?“ „Die Aufseher teilten es uns mit.
Übrigens hast Du deine Anklageschrift dabei?“ Sie war in meiner Hand. Ich reichte sie ihnen. „Ein baptistischer Prediger“, dachte ich nach: „Wie kommen sie nur auf solche Gedanken?“ Es gab exzellente Prediger unter den russischen Christen, aber ich mit meinen zwanzig hatte nie die Gelegenheit, ein Bibelstudium zu absolvieren. Ich sah mich eher als einen lausigen Zeugen Jesu Christi.

„Ich möchte schlafen“, sagte ich und schaute mich um. Es gab genau sieben Schlafplätze, in der Zelle waren zwölf Personen. „Die Gefängnisse sind hoffnungslos überfüllt“, sagte einmal Olgas Vater. „Kein Problem, junger Mann“, sagte ein Aksakal (weißer Bart), ein alter Kasache mit einem ergrauten Bart: „Du kannst hier neben mir schlafen.“

Ich hatte vorhin vom Aufseher eine Decke, ein Stück Seife und Handtuch bekommen. Die Insassen warteten alle auf ihre Gerichtsverhandlung, deshalb wurden ihre Köpfe und Bärte noch nicht abrasiert. Ich sah mich um, guckte auf die Wände und Decke. Es waren interessante Texte von „Mama, ich liebe dich“ bis zu „wurde zu lebenslänglicher Strafe verdonnert“. „Hm, habt ihr das alles gelesen“, fragte ich die Zellenkameraden. Sie schüttelten verneinend den Kopf.

Ich legte mich auf die Bretter und schloss die Augen. Nun standen vor meinen Augen die christlichen Jugendtreffs, die wir in Sibirien veranstalteten. Wir suchte uns eine Wiese im dichten Wald, stellten Wachposten mit Abstand von zehn Metern auf, die uns vorwarnen sollten, wenn die sowjetischen Milizen irgendwo in der Nähe wären und auf uns lauerten. Man war sich nie sicher, ob unter uns nicht doch einer wäre , der die kommunistischen Behörden über unsere Aktivitäten informiert. Falls sie ankamen, zerstreuten wir uns im Wald und sammelten Pilze oder Waldbeeren, die es reichlich im Sommer gab.

Die Miliz konnte uns zu meiner Zeit niemals überraschen. Das machte sie rasend. Wir mussten eines Tages wahrnehmen, dass es unter uns Spitzel gab. Meistens wussten wir auch, wer es war und gaben der Person die „verantwortlichsten Aufgaben“. Sie mussten uns für die Treffs im Sommer den Wald aussuchen und  Wiesen inspizieren. Wir trafen uns jedoch ganz an anderen Orten. In der Tat, es war unfair, aber wir erklärten der Person, dass es notwendig gewesen war, nach Alternativmöglichkeiten Ausschau zu halten. Es gab für die Treffs ein gutes Programm: Man bot Leiterschulungen an, Bibelarbeiten über aktuelle Themen und man hat sehr viel Lobpreislieder gesungen. Mit diesen Erinnerungen schlief ich ein.


Aus unbekanntes Kasachstan Web
Ich wurde morgens zum Frühstück geweckt. Es gab Grießbrei, Brot und Tee. Ich betete und begann zu essen. Alle Augen waren auf mich gerichtet. „Betest Du oft am Tag“, fragte der Aksakal. „Gedanklich sehr oft, ansonsten kommt es auf die jeweilige Situation drauf an“. „Oh, wir Moslems müssen fünfmal am Tag beten“. „Interessant. Tust Du es auch?“ „Nee“, antwortete der alte Mann: „Allah hört auf mich sowieso nicht. Ich bin ein Dieb, betrüge den Staat und versorge auf diese Weise meine achtköpfige Familie“. Er sah mein lächelndes Gesicht an: „Du lachst. Du bist noch jung. Den Staat betrügen ist eine Tugend, man darf nur nicht Menschen beklauen“.

Ich lernte in diesen wenigen Tagen eine Menge “Lektionen“. Es gab auch Häftlinge, die unbedingt wissen wollten, ob wir tatsächlich Kinder opfern würden, wie die kommunistische Presse berichtete. Andere wieder wollten von unserer christlichen Tätigkeit erfahren. Ich war kein aktiver Mitarbeiter in den Freikirchen der Stadt Semipalatinsk und sagte ihnen nur, dass ich einzig Gottesdienste besuchte, viel Bücher in der Bibliothek las, mein Unterhalt verdiente und sonst war ich ein passiver Christ.

Ein junger Häftling, wie ich, setzte sich neben mir und begann, mich auszufragen über Jugend- und Bibelabende. Es waren professionell gestellte Fragen, die mich aufhören ließen. Ich guckte ihm tief in die Augen und sagte: „Was hat man dir für das Ausspähen angeboten? Strafminderung? Ich interessiere mich doch auch nicht, ob Du ein verhasster Taschendieb oder Hooligan bist, oder? Willst Du etwas aus meinem Glaubensleben erfahren? Darüber gebe ich dir gern Auskunft. Andere Informationen bekommst Du von mir nicht“.

Er sah sehr verlegen aus, als er aufstehen und den Platz wechseln wollte. „Du bist ein Spitzel?“ Die Stimme des Aksakals war ohrenbetäubend, sie schrie förmlich nach Rache. Sein Körper bebte , die Stimme klang mehr als bedrohlich. Der alte Kasache war wohl das fünfte Mal im Gefängnis und kannte die ungeschriebenen Regeln, die es unter Insassen gab: Ein Spitzel wurde meistens hingerichtet. Die Kriminellen übten brutale und kompromisslose Selbstjustiz aus. Davon hörte ich bereits in Omsk. Wir hatten in der Stadt mehrere Straflager. Einige unserer Kirchenmitglieder arbeiteten als Wärter im Gefängnis. Sie machten uns mit den ungeschriebenen Gesetzen der Häftlinge vertraut. Nach dem lauten Schrei des Kasachen öffnete sich die Zellentür und der junge Mann entfloh: Er wurde von Aufsehern weggeführt.
Aus unbekanntes Kasachstan Web

„Warum tun Menschen das?“, fragte ein Insasse. „Was meinst Du?“ „Ja, die Spitzelarbeit!“ Ich erinnerte mich an die Aussage des Aristoteles und erklärte: „Es gab einen griechischen Philosophen und dieser sagte: Die meisten Menschen wollen das Sittlich-Schöne, ziehen aber für sich das Vorteilhafte vor. Es ist etwas Schönes, jemanden Gutes zu tun, ohne den Gedanken an Wiedervergeltung, aber etwas Gutes sich antun zu lassen, ist vorteilhaft. Der junge Mann wurde engagiert, uns auszuspionieren. Er sucht das Vorteilhafte für sich. Das muss man verstehen können, aber nicht gutheißen. Nur sollte man einen Spitzel nie töten. Es zu wissen, wer Spionage betreibt, ist gut, dann kann man entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und bedächtig  und besonnen mit Worten umgehen“. Der Aksakal nahm mich in die Arme und sagte: „So jung und schon so viel Wissen! Gut gesprochen junger Mann“.

Wir wurden Freunde.

Im Mai 2009 versuchten zwei lesbische
Frauen offiziell zu heiraten. Wikipedia
Mich verwunderte es sehr, dass ein Mann unter unseren Pritschen schlief. Er hatte eine Schüssel aus Aluminium wie wir alle, aber am oberen Rand war ein Loch. Ich wurde neugierig: „Sagt mal Leute, warum schläft der Mann unter den Pritschen? Wir könnten doch auch für ihn Platz machen.“ Die Zellengenossen fragten verblüfft: „Siehst du denn nicht, dass er ein Päderast ist?“ „Was heißt Päderast“, fragte ich doch eher heuchlerisch. Wer von uns hörte damals von diesem Begriff nicht? „Er bevorzugt, dass man mit ihm Analverkehr treibt“, erklärte der Aksakal. „Entschuldigung, aber ich verstehe nicht, was ist Analverkehr.“
Ich hatte wirklich keine Ahnung, aber ich hätte es lieber nicht sagen sollen. Ein Zellengenosse stand auf und sagte zu den anderen: „Ihr hält Wache. Ich will es dem jungen Mann vordemonstrieren.“ Der betroffene Mann nahm schon die Hose runter und stellte sich in die jeweilige Pose stützend auf die Kante der Pritsche. Ich erschrak und verkroch mich in die Ecke. Der andere Häftling übte Verkehr von hinten. Ich empfand es derart erniedrigend, dass ich losschrie: „Hört, bitte, auf! Es ist doch zum Kotzen!“ Der sogenannte Päderast guckte mich erstaunt an und sagte: „Es geht mir gut. Ich genieße  es.“ Ich lief zum Kübel und musste mich übergeben. Alle lachten laut los. Ich dagegen war innerlich verletzt. Ich hätte mich vor Scham unter der Pritsche verkriechen können.

Ein Häftling setzte sich neben mir und stellte sich als Biologe vor. „Hast du nie Geschlechtsverkehr praktiziert“, fragte er. Ich hatte mein Gesicht in beide Hände vergraben und schüttelte den Kopf. „Du bist Christ und die Bibel sieht diese Art von Sexualität als widernatürlich, aber zurzeit des Apostels Paulus erfreute sich Analverkehr höchster Beliebtheit. Paulus mit seinem ethischen Ansatz schwamm gegen den Zeitgeist, ob es immer richtig war?“ Ich hielt es nicht aus: „Bitte, sagen Sie nichts mehr. Ich möchte es nicht hören. Dieser Exhibitionismus ist doch widerlich!“

Nachhinein muss ich sagen, dass ich derart von der jeweiligen „Aktion“ geschockt war, dass sie eine tiefe seelische Narbe in mir hinterließ. Seit diesem Ereignis musste ich viel über das homosexuelle Verhalten nachdenken. Mir schien es bei der jeweiligen Handlung, dass es den Männern einzig um die Lustbefriedigung ging. Anhand meinen Studien bis dato war ein Päderast kein Homosexueller, sondern ein Pädophiler.  Ich erinnerte mich irgendwo den Begriff gehört oder in einem der Bücher über die Päderastie im alten Griechentum gelesen zu haben.

Ich hatte tatsächlich noch keinen Geschlechtsverkehr gehabt, aber, was ich hier sah, war meiner Meinung nach exhibitionistisch und abartig. Sexualität war in meiner Überzeugung ein Geschenk Gottes, die in einer Verbindung zwischen Mann und Frau gelebt wird. Aber Analverkehr? Ich konnte mich nicht mit dieser Art von Sexualität anfreunden.
Ein Zellengenosse konfrontierte mich mit der Frage, warum ich so denken und empfinden würde. Mein erstes Argument war: „Es wird bei diesem Verkehr auf widernatürliche Weise die falsche Körperöffnung genutzt. Der Dickdarm ist der letzte Teil des Verdauungstraktes und nicht geeignet für Geschlechtsverkehr“, sagte ich dem Häftling. „Was ich hier gesehen habe, ist doch anatomisch falsch. Der After ist die Austrittsöffnung des Darmes und kein Körper-Eingang.  Durch den After verlässt der Kot den Darm. Ihr setzt euch auf den Kübel, scheidet euren Kot aus, putzt den Hintern mit ein Stück Zeitungspapier, und nun steckt ihr euer Glied in diesen Kot“, sagte ich empört. Alle hörten zu und ekelten sich sichtlich. Sie schwiegen betreten.

http://www.kgb-gefaengnis.de/14-0-Bildergalerie.html
Man führte sowjetische Häftlinge morgens und abends in die öffentliche Toilette, aber bei Notdurft gab es in jeder Zelle ein Kübel. „ich weiß“, fuhr ich fort: „ihr könnt euch nicht enthalten, weil der sexuelle Trieb so stark ist. Ich sehe ja, wie ihr am Kübel euch befriedigt. Die Hand ist aber auch kein Geschlechtsteil der Frau. Eure Selbstbefriedigung führt höchstens zu einer seelischen Leere und zu Minderwertigkeitskomplexen, sie befriedigt euch letztlich gar nicht. Seid doch mindestens ehrlich mit euch selbst“.

In etwa zehn Minuten nach dem jeweiligen Ereignis öffnete sich die Tür der Zelle und ein Offizier befahl: „Päderast, mitkommen!“ Der Mann stand auf, nahm ruhig seine Schüssel und den Löffel und ging mit. In zwei Stunden war der Offizier wieder an der Tür. Er zeigte mit dem Finger auf die Person, die uns Analverkehr vordemonstriert e: „Kommen sie mit.“ Die Tür wurde wieder geschlossen. In der Zelle herrschte zuerst eine Totstille. Dann sagte jemand leise: „Geschlechtsverkehr zwischen Männern wird laut dem sowjetischen Strafgesetzbuch bis zu fünf oder acht Jahren Freiheitsentzug geahndet. Zudem werden homosexuelle Personen anstelle von Gefängnisstrafen oft und auf unbestimmte Zeit in psychiatrischen Kliniken untergebracht und zu einer medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung gezwungen.“

Ich wollte nichts mehr hören, legte mich hin und zog die Decke über den Kopf. Ich konnte meine Tränen nicht halten. Sexualität war für mich heilig, um gemäß dem Hohelied Freude an ihr zu empfinden und die Fortpflanzung zu sichern. Sicher haben wir Studierende in der Vergangenheit über die Sexualität ausführlich diskutiert, aber was ich nun erlebte, empfand ich als eine Pervertierung des Lustempfindens. Wohl bemerkt, ich war derzeit zwanzig Jahre alt.

Ich erzählte den Zellengenossen: „Noch als Teenager sahen mein Onkel Gustav und ich, wie ein Mann es mit einem sibirischen Pony getrieben hatte. Mein Onkel war für den Pferdestall der Kollektivwirtschaft zuständig und machte sich mit der Gabel hinter den Mann her. Dieser lief davon und versteckte sich im Wald und schämte sich, zurück zu seiner Familie und Frau zu kehren. Mein Onkel sagte damals zu mir: „Erzähl es niemand. Er hat vier Kinder. In unserem Land wird Sodomie mit Freiheitsentzug geahndet. Schade, wenn seine Kinder darunter leiden müssten. Ich spreche aber mit seiner Frau.“ Mein kluger Onkel sprach lange mit der Frau des Täters und bewegte sie, ihren Mann aufzusuchen. Sie muss ihn gefunden, gesprochen und alles mit ihm geklärt haben, weil die Familie erhalten blieb und in späteren Zeiten Christen wurden. Die Pflicht des Onkels wäre gewesen, den Mann anzuzeigen, aber seine christliche Nächstenliebe und die Empfindung der Barmherzigkeit überwogen, wie er mir erklärte. Ich schwieg wie ein Fisch“, mit diesem Satz schloss ich den Bericht ab. Ich sah auf die Häftlinge. Sie waren sehr nachdenklich und reagierten nicht.

Die darauf folgende Nacht schlief ich sehr unruhig. Ich schlief kurz ein, wurde von Albträumen geplagt und wachte wieder auf. Mein Hirn spielte verrückt. Ich dachte und dachte über alles nach und fand keine Antworten. Dient Sexualität nur, um Lustgewinn zu erzielen, war die primäre Frage. Meine Beobachtungen zeigten, dass die zwanghafte Selbstbefriedigung unter Studierenden zum Kontrollverlust, Machtlosigkeit und Besessenheit von der Sucht führte. Ein Studierender wurde deswegen von unserer Lehranstalt in die Psychiatrie eingewiesen. Auch der erotische Fetischismus kam unter Studierenden vor. Man entdeckte eines Tages bei einem jungen Mann einen Büstenhalter, den er für Stimulation bei Selbstbefriedigung nutzte. Er wurde ohne Widerrede exmatrikuliert. Unsere kommunistischen Pädagogen sahen in solchen Handlungen starke psychische Störungen. Sie kamen ins „Irrenhaus“, wie damals unter uns die Nervenanstalten genannt wurden.

Die exhibitionistische Handlung der beiden Zellengenossen war ekelhaft für mich. Noch nie erlebte ich so was. Ich kam mehr oder minder aus einer geschützten Umwelt und fand in der klassischen Literatur niemals Berichte über solche Handlungen. Man kann doch alles relativieren und dann ist Sexualität doch nur eine Wegwerfware, resümierte ich.
Da in der Zelle die ganze Nacht das Licht brennt, stand ich gegen morgens auf und ging zum Eimer mit Wasser, füllte meinen Aluminiumbecher und wusch mein Gesicht. Der Tag verlief ruhig. In der Ecke wurden Karten gespielt, was strickt verboten war. Häftlinge spielten, um Gewinne zu erzielen, und wer nicht zahlen konnte, wurde vergewaltigt.  Die Administration wollte diese Brutalität vorbeugen und verbot solche und ähnliche Spiele. Währenddessen unterhielt ich mich mit dem alten Kasachen, der viel von meiner Glaubenserfahrung wissen wollte. Er verwendete zwar den Begriff „Allah“, aber wohl eher als Fremdwort.

Samstag, 26. Januar 2013

Russische Baptisten begehen zum zweiten Mal den Martin-Luther-King-Tag


M o s k a u – Am 20. Januar haben russische Baptisten zum zweiten Male den Martin-Luther-King-Tag begangen. “Wer ist mein Nächster?” fragte Gennadi Sergienko, Leitender Pastor der “Zweiten Baptistengemeinde” in seiner Predigt. Mit Berufung auf den Barmherzigen Samariter antwortete er: “Das sind diejenigen, an denen man am schnellsten vorüberzieht.” In diesem Gottesdienst erzählte ein ehemaliger Krimineller und Obdachloser von zwei Männern, die nicht vorüberzogen. Er bekehrte sich bald nachdem die beiden ihm völlig unverhofft auf dem Kursker Bahnhof in Moskau mitgeteilt hatten, daß Gott ihn lieb habe.
Die „Zweite Baptistengemeinde“ bleibt nicht auf halbem Wege stehen. Obwohl die Gemeinde zum ersten Male überhaupt diesen Tag beging, ging es im gesamten Gottesdienst (einschließlich der Kinderstunde) um das Thema, Andersartige schätzen zu lernen. Die Themenbereiche reichten von der passenden Reaktion auf Menschen, die im öffentlichen Verkehr einen schlechten Duft verbreiten, zu zwischenrassigen Beziehungen.
Ein anderer Pastor der Gemeinde bekannte im Gottesdienst, daß er eingangs keine Notwendigkeit erkannte, das Thema aufzugreifen. Doch Sergienko versicherte: „Unsere Theologie ist in Ordnung – wir verstehen sehr wohl, daß Gott alle gleichermaßen liebt. Die Probleme entstehen erst wenn man auf die Wirklichkeit stößt.“ Christen, die sich an dieser Stelle keines Problems bewußt seien, hätten es unterlassen, die Minderheiten Rußlands zu befragen. Nach dem Gottesdienst berichtete ein Teilnehmer von den erheblichen Spannungen, die im Umfeld der Moskauer Moscheen bestehen.
Die “Racial Task Force” (RTF) der englischsprachigen “Moscow Protestant Chaplaincy” bemüht sich, zumindest einen Bruchteil der Vorfälle, die durch Rassenhaß motiviert sind, zu dokumentieren. Die aufgezeigten Vorfälle vermitteln den Eindruck, daß ein afrikanischer Mann damit rechnen müsse, einmal alle ein bis drei Jahre körperlich angegriffen zu werden. Todesfälle kommen immer wieder vor. Mit Belästigungen muß täglich gerechnet werden.
Die Task Force berichtet davon, daß in Moskau am 18. Mai 2012 ein Ghanese verletzt wurde durch Russen, die die Tür zu einer Privatwohnung aufbrachen und ihn im Schlaf verprügelten. Danach verlangte die Wirtin von ihm eine Erstattung der Kosten für die Turreparatur und kündigte das Mietverhältnis.
Immer wieder kommt es vor, daß sich zufällige Zuschauer weigern, einen angegriffenen Afrikaner in Schutz zu nehmen. Lieber filmen sie den Zwischenfall – für den heimatlichen Gebrauch. Es gab 2012 mehrere Vorfälle bei denen ein anwesender Polizist sich weigerte, einzugreifen. Diejenigen, die zur Hilfe eilen, sind meistens mitleidende Muslime aus dem Kaukasus oder Zentralasien.
Am 8. Juni wurde in einer Straßenbahn ein Kongolese von einer betagten Frau beschimpft. Sie schrie: „Ihr Affen überrennt unser Land, was habt Ihr denn zu suchen hier überhaupt? Stalin hätte mit euch kurzen Prozeß gemacht – Rußland gehört den Russen.“ Doch nur etwa 0,03% der Einwohner Rußlands (143 Millionen) sind Afrikaner und Stalin war bekanntlich Georgier.
In der Zweiten Baptistengemeinde berichteten mehrere Redner von einem gewaltigen Transformationsprozeß innerhalb der einst sowjetischen Republiken. Ruwim Woloschin, ein Pastor dieser Gemeinde aus Moldawien, berichtete davon, daß zu Sowjetzeiten sich alle auf Russisch unterhielten. Wenn jemand auf eine andere Sprache auswich, wurde vermutet, daß er etwas zu verbergen hatte. Heute besteht der umgekehrte Fall: In der Ukraine z.B. kann die Verwendung der russischen Sprache zu Raufereien führen. Die Völker Zentralasiens sind keine „Brudervölker“ mehr.
Pastor Sergienko erwähnte, daß sich viele Russen heute international als verachtet empfinden. Das führe zu einem defensiven oder aggressiven Verhalten. Aggressionen richten sich dann oftmals gegen die Minderheiten im eigenen Lande.
In seinem Beitrag in der Zweiten Baptistengemeinde fragte der US-amerikanische Kirchenjournalist William Yoder, ob die Identitätsfrage zum Kern der Problematik Rassismus gehöre. „Wer ist eigentlich Russe?“ fragte er. „Eine Frau mit einem afrikanischen Vater und einer russischen Mutter, die ihr ganzes Leben in Rußland verbracht hat – ist sie Russin? Ist es rassistisch, davon auszugehen, daß ein Russe nur ein weißer Europäer sein könne?“ Yoder fuhr fort: „Ist es in Ordnung, daß die Ehrengarden im Kreml ausschließlich aus weißen Slawen bestehen? Rußland besteht aus 110 Nationalitäten. Darf man es hinnehmen, daß alle Polizisten in Kasachstan Asiaten seien? Vielleicht hängt die Problematik in Kasachstan mit der Problematik in Rußland zusammen.“
Menschen farbiger Hautfarbe scheinen sich durch Passivität und Schüchternheit auszuzeichnen. RTF-Leiterin Jennifer Voecks berichtet, daß sich Angegriffene sehr schwer tun, Vorfälle der Polizei oder sogar der RTF mitzuteilen. „Sie meinen nicht, daß eine Berichterstattung etwas ändern könnte.“ Witali Wlasenko, Pastor der “Moscow Community Church” und ein Anführer der baptistischen Bemühungen um Rassengleichheit, war sehr enttäuscht, daß kein farbiger Mensch der diesjährigen Feier in seiner Gemeinde beiwohnte. „Wir hätten gar nicht verlangt, daß sie auftreten.,“ versicherte er. „Wir wollten sie nur kennenlernen und ihnen unsere Liebe bezeugen.“ Wlasenkos Gemeinde hielt vor einem Jahr die erste Feier zum Martin-Luther-King-Tag ab.

Entwicklungen bei der Moscow Protestant Chaplaincy

Sowohl Jennifer Voecks wie Matthew Laferty, Pastor der MPC, reden von „Stillstand“ in den gegenwärtigen, zwischenrassigen Beziehungen im Moskauer Raum. Obwohl in manchen Grundschulen bereits die Hälfte der Kinder Nichtrussen seien, erkennen sie keinen Ansatz,
den Kindern in verstärktem Maße die Toleranz beizubringen.
Zumindest nehmen die Anstrengungen der MPC zu. Im vergangenen Juni konnte sein Gemeindezentrum in den geräumigen Keller der lutherischen „Peter-und-Paul-Kathedrale“ umziehen. Das Zentrum arbeitet an allen Wochentagen und bietet Flüchtlingen und Immigranten Sprach- und Computerkurse, Gastfreundschaft und Beratung an. Dieser Dienst ist nun verstärkt dreisprachig: Eine französischsprachige, überwiegend afrikanische, lutherische Gemeinde auf dem Grundstück liefert viele der Tagesgäste.
Voecks freut sich darüber, daß die Zahl der Freiwilligen zugenommen hat. Die Gemeinde versucht durch „Gemeindebegegnungen“ das Gespräch zwischen Afrikanern und Ansässigen anzubahnen. Doch viele der „Ansässigen“ sind selbst Ausländer – es sei deshalb erforderlich, die Kontaktmöglichkeiten mit einheimischen Russen auszubauen.
Ein Programm für Afrikaner, die von unseriösen Reiseagenturen nach Rußland gelockt werden, besteht weiterhin. Seine Hauptaufgabe besteht darin, den Heimflug der Irregeführten zu bezahlen. „Métis“, ein langfristiges Programm zur Betreuung von gemischtrassigen Kindern und deren Müttern, gedeiht weiterhin.
Pastor Laferty versichert: “Uns steht es überhaupt nicht zu, den Zeigefinger auf irgend jemanden zu richten. Die vorhandenen Errungenschaften im Streben um die Rassengleichheit wollen wir feiern. An den noch vorhandenen Defiziten arbeiten wir weiter.“

Die 1962 gegründete MPC wird von fünf US-amerikanischen Großkirchen unterstützt. Zu ihnen zählt die presbyterianische „PC USA“. Die Webanschrift der MPC lautet: “www.mpcrussia.org”.
Dr.phil. William Yoder
Moskau, den 24. Januar 2013
rea.org@mail.ru” oder “kant50@gmx.de
Handynummer von Yoder wenn in Moskau: +7-916 874 5868

Samstag, 5. Januar 2013

Keine Angst mehr vor den “Zigeunern” von William Yoder


Keine Angst mehr vor den “Zigeunern”
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Presbyterianer und die Roma Rußlands

M o s k a u – Zur Geschichte der Roma bleibt vieles im Unklaren; schon über die Zahlen herrscht keine Einheit. Nach Wikipedia verfügen die USA über die höchste Zahl an Roma – eine Million. Doch die Zürcher Zeitschrift “Religion und Gesellschaft in Ost und West” (RGOW) berichtet, daß die osteuropäischen Staaten gezielt die Anzahl der Roma „herunterschrauben“. Rumänien hat eine Bevölkerung von 22 Millionen; zu ihr sollen 408.000 Roma zählen. Die RGOW geht jedoch davon aus, die eigentliche Zahl könnte drei Millionen erreichen. Die Roma sollen mit 10 bis 12 Millionen Mitgliedern die zahlenstärkste Minderheit Europas sein. Deren Gesamtzahl weltweit könnte sogar 60 Millionen betragen. Die Unsicherheit der Zahlen wird gesteigert dadurch, daß es für den Begriff „Roma“ mehr als eine einzige Definition gibt.

Generell geht man davon aus, die Roma hätten etwa im 7. Jahrhundert nach Christus Indien Richtung Western verlassen. Südosteuropa wurde zu einem Hauptsiedlungsgebiet. Später zogen manche wieder Richtung Osten – zuerst in die Polnisch-Litauische Union und die anderen baltischen Staaten. Im russischen Reich kamen sie erst im 18. Jahrhundert an nachdem der Tsar neue Gebiete annektiert hatte. Obwohl sie in Moldawien und der Ukraine am stärksten vertreten sind, leben Roma heute auch im russischen Fernost.

Berichten zufolge waren die Roma anfangs nicht nomadischer als traditionell einheimische Stämme. Im Laufe der Jahrhunderte wurde aus ihnen eine wichtige, ungelernte aber verläßliche Arbeiterschaft. Mit dem Aufkommen der faschistischen Gewaltherrschaft in Deutschland brachen Jahre der Vertreibung, Vernichtung und Aufruhr über sie herein – es sind bis zu 500.000 von ihnen ermordet worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die sozialistischen Staaten Osteuropas bemüht, sie zu assimilieren und in die Reihen der in der Schwerindustrie beschäftigten Arbeiterschaft aufzunehmen. Im Oktober 1956 verbot das Oberste Sowjet die Nichtseßhaftigkeit; die sowjetischen Roma wurden gezwungen, sich häuslich niederzulassen. Bald verfügten 90% der sowjetischen Roma über eine dauerhafte Bleibe.

Burkhard Paetzold (Petershagen bei Berlin), der „Beauftragte für Zentral- und Osteuropa/Roma“ bei der in Louisville/USA beheimateten „Presbyterian Church USA“ (PC USA), weist darauf hin, daß Roma die Ersten waren, die nach dem wirtschaftlichen Kollaps von 1989/90 ihre Stellen verloren. Die erneute Ghettoisierung, die sich daraus ergab, „weist einerseits auf die Diskriminierung, doch andererseits auch auf den Wunsch hin, familiäre Strukturen zu verstärken und zu schützen. Es wird behauptet, es gäbe fast keine obdachlosen Roma!“

Peter Romme, ein in Kostroma (Nordwestrußland) wohnender Missionar mit Verbindungen zur PC USA, merkt an, daß die Roma ein Volk des Friedens seien. Trotz ihres Rufs als Kleindiebe und Drogenhändler „haben sie niemals einen Krieg angestiftet noch Waffen produziert“.

Die Kultur der Roma
Pastor Romme, ein Rußlanddeutscher aus dem Gebiet Irkutsk, berichtet davon, daß Roma Feiertage wie Weihnachten und Ostern besonders zugetan seien. Das Feiern könne sich über zwei bis drei Tage erstrecken: „Im allgemeinen wird gefeiert bis das Geld verbraucht ist.“ Langfristiges Sparen gehört eben nicht zu deren Stärken.

Üblicherweise nehmen Roma den Glauben der vorherrschenden Kultur an: In Kasachstan sind sie Muslime, Orthodoxe im Westen Rußlands und Katholiken in Polen. Doch deren Zögern, das Herkömmliche preiszugeben, äußert sich in einem ausgesprochenen Synkretismus. Sie werden die letzten Göttin-Anbeter Europas genannt; sie setzen auf Amuletten, Fluche, Heilungsrituale und Wahrsagerei. Frauen kleiden sich besonders keusch; sexuelle Begriffe in der Bibel  – die Beschneidung z.B. – werden in Roma-Gottesdiensten umschifft. Der voreheliche Geschlechtsverkehr ist verpönt; doch Eheschließungen bei Kindern, die jünger als 13 sind, bleiben keine Seltenheit.

Die Sehnsucht nach übernatürlichen Zeichen und Heilungen bringen sie automatisch in die Nähe von pfingstlerischen und charismatischen Kreisen. Andrei Beskorowaini, ein baptistischer Pastor der Roma aus der Ukraine, der in Kursk nahe der ukrainischen Grenze arbeitet und von der PC USA unterstützt wird, erzählt, daß „Geschwätz“ und Mutmaßungen zu fast panischen Zuständen unter evangelikalen Roma geführt haben. Zu Ostern 1991 und 2000 weigerten sich Roma, gemeinsam mit anderen zu essen mit der Behauptung: „Das Ende der Welt wird eintreten wenn wir gemeinsam an einem Festtisch Platz nehmen.“ Im Blick auf die fehlende theologische Bildung der Roma verweist Beskorowaini auf Matthäus 24,36 und mahnt: „Brüder und Schwester – schenkt diesem Geschwätz keinen Glauben!“

Die Arbeit unter Roma verlangt steifen, einheimischen Missionaren eine gewisse Flexibilität ab – Roma stehen auf traditionelles Tanzen und eine fröhliche – auch christliche – Musik. Roma haben sogar eine Lanze für die Ermächtigung der Frau gebrochen: Eine von der Ukrainerin Olena Martschuk verfaßte Studie über die Roma berichtet von der blinden Albina Kosoris. Nachdem sie sich Mitte der 90er Jahre einer nichtregistrierten Baptistengemeinde in Merefa/Ukraine angeschlossen hatte, begann sie zu predigen und gründete mehrere Gemeinden. Nach ihrer Eheschließung mit einem blinden Mann 2004, begannen die beiden mit einem Dienst unter den Sehgeschädigten Kiews.

Roma und die Evangelikalen
Die Arbeit von Pietisten unter den Roma Europas kam erst nach dem Ersten Weltkrieg auf Touren; 1930 finanzierten Österreicher den Bau einer Kapelle für Roma im Nordwesten Bulgariens. RGOW behauptet, die evangelikale Bewegung habe sich unter den bulgarischen Roma am stärksten etabliert – erst recht seit 1989. In diesem Land sollen rund 50.000 Roma zur Pfingstbewegung gehören.

Ukrainische Evangelikale begannen Anfang der 50er Jahre damit, unter Roma zu missionieren. Die Studie von Olena Martschuk gibt an, die verbotene, „Samisdat“-Literatur der nichtregistrierten Baptisten habe in den 70er Jahren Passagen erhalten, die in den Dialekten der Roma verfaßt waren. Um 1975 formierte sich eine Roma-Gemeinde der nichtregistrierten Baptisten im transkarpatischen Dorf Korolowoi Podwinogradow an der Grenze zu Ungarn. Zwei Gemeinden in dieser Gegend verfügen inzwischen insgesamt über  600 Mitglieder. Die Bekehrung eines Roma-„Barons“, Grigori Marizaskow, in Khmelnitski (Westukraine) sorgte im Mai 2011 für Schlagzeilen. Eine weitere Hochburg evangelikaler Arbeit unter den Roma befindet sich in Woltschansk (unweit von Charkow) am gegenüberliegenden, nordöstlichen Rande des Landes.

An der mangelnden Absprache leiden die vielfältigen Projekte. Demzufolge halten seit 2005 die evangelikalen Roma Rußlands eine Konferenz in Kursk ab. Ellen Smith (Berlin), eine Mitarbeiterin der PC USA, machte kürzlich bekannt, daß Andrei Beskorowaini zum Leiter des Roma-Netzwerks für Gesamt-Rußland ernannt worden ist. Sie fügte hinzu: „Diese Entwicklung ist keine Kleinigkeit. Es war ein langer Prozeß, die Leitung (der Projekte) von Russen auf Roma zu übertragen.“

Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, daß die Zahl evangelikaler Roma auf russischem Boden sehr bescheiden ausfällt. Das Standardwerk „Operation World“ gibt nur 9.000 für das gesamte Gebiet der ehemaligen UdSSR an. Die Kursker Jahreskonferenz im Jahre 2008 wurde von nur 70 Roma aus 21 Ortschaften besucht. Die Kursker Gemeinde, die 2004 von Beskorowaini gegründet worden ist, wird oftmals als die einzige evangelikale Roma-Gemeinde Rußlands bezeichnet. Doch auch sie hat kaum mehr als 20 Mitglieder. Weitere Versammlungen finden u.a. in Mitschurinsk (Gebiet Tambow), Nowoschachtinsk (nahe Rostow) und Sysran (Wolga) statt. Pastor Romme fühlt sich weiterhin für die Roma in Sibirien und Fernost verantwortlich. Die Zurückhaltung der Roma gegenüber Evangelikalen kann damit zusammenhängen, daß sie generell mit Mißtrauen auf Außenstehende blicken – Mischehen mit Nicht-Roma bleiben eine Seltenheit. Ohne Umschweife stellt Beskorowaini fest: „Die besten Missionare unter Roma sind die Roma selbst.“

Übersetzungen der Bibel bleiben ein Hauptanliegen – die Wycliffe-Bibelübersetzer sind mit von der Partie. Doch die Roma Europas bestehen aus 40 verschiedenen Gruppierungen – jede von ihnen weist kulturelle Besonderheiten und einen eigenen Dialekt auf. (Die Sinti gibt es vor allem in Deutschland.) Es besteht keine Roma-Kultur und –Sprache, die von allen verstanden wird. Bescheidene Ansätze zur Schaffung eines künstlichen „Roma-Esperantos“ sind vorhanden – doch kein Martin Luther, der imstande wäre, eine für alle attraktive Sprache zu entwickeln. Einige Gruppen wehren sich sogar dagegen, daß ihre Sprache in schriftlicher Form festgehalten wird.

Das Analphabetentum bleibt ein unbewältigtes Problem. Romme meint, 75% der russischen Roma seien des Lesens und Schreibens nicht kundig. Tonbänder und Filme – siehe z.B. den renommierten Film „Jesus“ – spielen deshalb bei der Evangelisation eine entscheidende Rolle. Seit den 70er Jahren setzen Baptisten und Pfingstler die Sonntagsschule unter den Roma-Kindern zur Förderung des Lesens und Schreibens ein. Einige wenige Roma - Andrei Beskorowaini z.B. – haben Bibelschulen besucht. Musikalische Bildung für begabte Musiker bleibt ein weiteres, zweitrangiges Anliegen.

Die in Frankreich beheimatete Gypsy and Travelers International Evangelical Fellowship” (GATIEF) gehört zu den größten Missionen, die sich an osteuropäische Roma richten. Zu den weiteren Missionen zählen die „Hope to People“-Organisation (Rowno/Ukraine) sowie die US-amerikanische „Southern Baptist Convention“ und „Cooperative Baptist Fellowship“. Methodisten sollen in Bulgarien besonders aktiv sein. Die “Reformed Church of America” verfügt über ein Ehepaar in Budapest, das sich für die Roma engagiert.

Die Presbyterianer der USA haben ein Herz für die Marginalisierten. Es ist deshalb nur logisch, daß sie sich für die Roma Osteuropas und Rußlands interessieren. Die Initiative der PC USA gibt es seit 2001 und besteht vor allem aus drei Mitarbeitern in Berlin sowie Nadia Ayoub in der Ukraine und Karen Moritz in Prag. Liz Searles soll demnächst einen Dienst in Rumänien antreten. Dabei geht es um mehr als nur Gemeindegründungen. Ellen und Al Smith reden von „Ermächtigung“ und einem „inklusiven Evangelium“. Paetzold erläutert: „Wir wollen einen ganzheitlichen Ansatz: Sozialdienste, Infrastruktur, Vorschulausbildung, Behausung, Arbeitsstellenbeschaffung, Ausbildung von gemeindeleitenden Personen, Sommerlager für Jugendliche, Jugendaustausch und multikulturelles Lernen für Weiße. Auch Christen weisen rassistische und diskriminierende Einstellungen auf. Das läßt sich auch nicht über Nacht abschaffen. Deshalb kommt es darauf an, passende Partner zu finden.“

Gemäß der PC USA kann auch das Kleine wunderschön sein. Paetzold spricht von einer massiven, von der EU gesponserten “Roma-Industrie”, die letztendlich die Roma als Hilfsempfänger stigmatisiert und Vorurteile verfestigt. „Die Herausforderung besteht darin, Initiativen von menschlicher Größe in den bestehenden Roma-Gemeinschaften zu finden, an denen wir partizipieren könnten. Wir stehen noch am Anfang; wir haben in Europa und den USA ein kleines Netzwerk aufgebaut. Die presbyterianischen Frauen haben ein großartiges Unterstützungs-Netzwerk geschaffen.“ Sie rufen sogar zu 10 Tagen des Gebets für die Roma auf – die Aktion endet jedes Jahr am 8. April.

In seinem Bericht über die Kursker Roma-Gemeinde 2008 träumte der Baptist Wladimir Popow (Tambow) von einer Zeit, in der Eltern den widerspenstigen Nachwuchs nicht mehr
mit „Onkel Polizist und den Zigeunern“ einzuschüchtern versuchen. Erfreulicherweise ist ein derartiges Verlangen nicht weniger international als die Roma selbst.

Dr.phil. William Yoder
Berlin, den 4. Januar 2013
rea.org@mail.ru” oder “kant50@gmx.de
Handynummer von Yoder wenn in Moskau: +7-916 874 5868